Rückbauerlass für WEA - bloßer Aktionismus der Brombeer-Koalition
06.03.2025: In der 10. Plenarsitzung des Thüringer Landtags – TOP 2,
wurde ein Entschließungsantrag CDU, BSW, SPD - Drucksache 8/626 -
zum Gesetzentwurf der AfD - Drucksache 8/322 - Erstes Gesetz zur Änderung
der Thüringer Bauordnung - Gewährleistung des vollständigen Rückbaus
von Windenergieanlagen nach der endgültigen Einstellung ihrer zulässigen
Nutzung eingebracht. Der Verlauf der Befassung kann hier verfolgt werden:
https://live.thltcloud.de/Veranstaltung/Plenarsitzung_2025_9-11/20250306
Problem:
Ein Erlass ist eine interne Verwaltungsregelung, die keine gesetzliche Wirkung
entfaltet. In der Sache dient der Erlass nur der einheitlichen Auslegung beste-
hender Gesetze (BauGB, ThürBO) in der Verwaltung. Erlasse haben daher
nur innerhalb der Verwaltung eine Verbindlichkeit und richten sich nicht an
die Bürger (in dem Fall Verursacher und Geschädigte/Grundstücksbesitzer).
Ein Landesgesetz hingegen ist eine normative Regelung, die eine konkrete
rechtliche Verbindlichkeit für alle Bürger darstellt, die auch nicht durch eine
Verwaltungspraxis oder einen neuen Erlass jederzeit geändert werden kann.
Gesetze legen grundlegende Bestimmungen und Regeln fest, die zugleich
verwaltungs- und zivilrechtlich (z. B. Vollzug Rückbau, Kostenübernahme,
Schadenersatz, Entschädigung) durchgesetzt werden können.
Begründung:
Mit dem beabsichtigten Rückbauerlass durch die Thüringer Landesregierung:
1. wird nur eine verwaltungsinterne Vorgabe zur Regelung der politischen Ziele:
„a) Rückbauverpflichtung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB für Windenergieanlagen
nach Ablauf der Nutzung inklusive der vollständigen Beseitigung der Fundamente,
Pfahlgründungen und Nebenanlagen sowie den Rückbau der Zuwegungen und
versiegelten Flächen verbindlich zu regeln;
b) die Berechnungsgrundlage für die Sicherheitsleistung an die Empfehlung des
Umweltbundesamts mit mindestens 6,5 Prozent der Gesamtinvestitionskosten
anzulehnen und diese an entsprechende Preisindizes des Statistischen Bundes-
amts zu koppeln;
c) mit der Regelung sicherzustellen, dass die Rückbauverpflichtung bei insolventen
oder untergegangenen Unternehmen auf eventuelle Holdingstrukturen und
Rechtsnachfolger übergeht;
d) die Zuständigkeiten zur behördlichen Überwachung der Rückbaupflicht in den
Rückbauerlass aufzunehmen und
e) zu prüfen, welche Regelungen zum Recycling der zum Bau der Windenergie-
anlagen verwendeten Materialien in den entsprechenden Rechtsvorschriften
aufgenommen werden können.“
postuliert, die - auch mittels Klage - rechtlich nicht durchgesetzt werden kann.
2. wird keine Außenwirkung erzeugt, ebenso wenig wie beim „Erlass zur Planung
von Vorranggebieten „Windenergie“, die zugleich die Wirkung von Eignungs-
gebieten haben (Windenergieerlass)“ des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur
und Landwirtschaft vom 21.06.2016.
3. wird lediglich politischer Aktionismus betrieben, der Grundstückseigentümern
keine Sicherheit bei späteren Rückbauproblemen und -kosten gibt. (Stichwort:
Ersatzvornahme zu Lasten des Eigentümers beim Ausfall der Sicherheitsleistung.)
4. wird die Gefahr der Auslegung und Willkür der Genehmigungsbehörde nicht
begegnet. Festlegungen zum Rückbau können weit ausgelegt werden, entziehen
sich der parlamentarischen Kontrolle, sind undemokratisch und können rechtlich
nicht überprüft werden (entfalten keine Außenwirkung).
Wegen der nicht vorhandenen demokratischen Legitimation und der fehlenden
Gesetzeskraft, ist der Erlass sehr bedenklich und führt zu Rechtsunsicherheiten.
5. kann der Erlass durch die Landesregierung, ohne Beteiligung des Parlaments,
nach Belieben jederzeit geändert werden.
6. wird mit der Berechnungsgrundlage für die Sicherheitsleistung von mind.
6,5 % der Gesamtinvestitionskosten dennoch eine erhebliche Unterdeckung
der Rückbaukosten hingenommen. Die Investitionskosten für eine 7 MW-WEA
liegen z. Z. zwischen 8,4 und 11,2 Millionen Euro. Mit 6,5 % Gesamtinvestitions-
kosten-Anteil ergibt das 546.000 Euro bis 728.000 Euro ohne Kostensteigerung.
Zusätzlich ist mit der jährlichen Kostensteigerung von ca. 2% bis 4% zu rechnen,
was die Rückbaukosten in 25 bis 30 Jahren signifikant erhöht.
Bei einem Ausgangsbetrag von 546.000 Euro ergeben sich:
bei 2% in 25 Jahren 895.770 Euro bei bis 4% in 30 Jahren 989.000 Euro
und beim Ausgangsbetrag von 728.000 Euro ergeben sich:
bei 2% in 25 Jahren 1.194.360 Euro bis 4% in 30 Jahren 2.361.190 Euro.
Das Anlehnen an den Preisindizes des Statistischen Bundeamts (Destatis)
ist dabei nicht sachgerecht (eine Beschwichtigung und Scheinaussage).
Der VPI des Destatis bildet nur die Preisentwicklung für Konsumgüter und
Dienstleistungen ab, um die wirtschaftliche Lage zu beurteilen, um mit Blick
in die Vergangenheit aktuell Investitionsentscheidungen zu treffen.
Der VPI bildet weder die Industriepreissteigerung, noch die Preisentwicklung
für den späteren Rückbau sicher ab. Er stellt somit keine valide Grundlage dar.
Das erhebliche Kostenrisiko trägt immer der Eigentümer, bzw. die Erben!
Eine sinnvolle Lösung wäre, den Investor durch Landesgesetz zu verpflichten
eine Rückbaukostenversicherung zugunsten des Grundstückseigentümers und
der Rechtsnachfolger abzuschließen, oder eine bindende Staatshaftung für den
ungedeckten vollständigen Rückbau zu regeln. Die Pflicht-Rückbauversicherung
entspricht dem Marktprinzip (Gewinn und Verlustrisiko) und Staatshaftung
wegen staatlicher Veranlassung. Ein bewusster Eingriff des Staates in den Markt
begründet den Staatshaftungsanspruch in verschiedenen rechtlichen Bereichen,
um in Verantwortung/Haftung gezogen zu werden. Rechtlichen Grundlagen
sind Artikel 34 GG, § 839 BGB, Haftung gemäß Europäischen Menschen-
rechtskonvention (Wenn der Staat durch Eingriffe in die Wirtschaft die Rechte
von Individuen verletzt, das Recht auf Eigentum oder unternehmerische Freiheit).
Die beste Lösung wäre, wenn der Investor das Baugrundstück mit allen Rechten
und Pflichten erwirbt. Doch das wird wegen der drohenden Altlasten (Rückbau,
Entsorgung, Ersatzvornahme, Grundsteuer) unentwegt ausgeschlagen, die in
der Praxis nachgewiesen zu Lasten, Schaden und Ersatzansprüchen führt.
7. kann mit der Regelung, "indem insolvente oder untergegangene Unternehmen
auf eventuelle Holdingstrukturen und Rechtsnachfolger übergehen", keine Risiko-
bzw. Schadenabwendung bzw. Rechtssicherheit beim Betroffenen bewirkt werden.
Im Insolvenzverfahren werden üblicherweise verbleibenden Vermögenswerte des
Unternehmens verwerten und veräußert, um hauptsächlich die Gläubiger zu
befriedigen. Dies führt meist zur Liquidation (InsO, §§ 249 - 254, 839 BGB).
Die Übertragung der Restmasse auf eine Holdingstruktur oder Rechtsnachfolger
kommt gelegentlich als sogenannte „Asset Deals“ (Verkauf von Vermögenswerten)
oder als Übertragung von Anteilen vor. Dies ist eher die Ausnahme als die Regel.
8. ist es überflüssig die Zuständigkeiten zur behördlichen Überwachung der
Rückbaupflicht in den Rückbauerlass aufzunehmen. Das EEG enthält Hinweise
auf die ökologische Verantwortung und den Umgang mit Lebenszykluswirkungen
der WE-Anlagen. Die Rückbaupflicht ist im Kontext zu bewerten, da WEA nach
ihrer Nutzung zwingend umweltgerecht vollständig entsorgt werden müssen. Das
KrWG regelt umfassend verbindlich bundesweit die ordnungsgemäße Entsorgung
und das Recycling. So verpflichtet das KrWG die Betreiber von WEA, am Ende
der Lebensdauer der Anlage den Rückbau und die umweltgerechte Entsorgung
der Komponenten sicherzustellen. Dazu gehören u. a. die Rotorblätter u. a.
Schadstoffe, die nach dem Rückbau entsorgt und/oder recycelt werden müssen.
Im BauGB wird bezüglich Planung und Genehmigung von WEA, insb. wenn es um
Errichtung und Rückbau von baulichen Anlagen geht, zur UVP Bezug genommen
die u. a. auch Auswirkungen des Rückbaus mit einbeziehen muss.
Im Übrigen regelt die AVV die Einstufung von Abfällen und stellt sicher, dass die
Materialien aus WEA korrekt kategorisiert und entsprechend entsorgt oder recycelt
werden müssen. Die AVV beschreibt die umweltgerechte Entsorgung und regelt die
Identifikation von Materialien, die besonders zu überwachen sind. Umweltrechtliche
Bestimmungen auf Landeseben sind nur erforderlich wenn z, B. Thüringen
landesspezifisch oder bundesweit eine besondere Rolle spielen, falls Thüringen
für die ordnungsgemäße Entsorgung und im Zusammenhang mit dem Rückbau
einen zentrale Deponie für Schadstoffe oder spezielles Recycling anstrebt.
In Bezug auf die bauliche Genehmigung und die spezifischen Abfallverordnungen
sind die zuständigen Behörden (Umweltamt, Bauaufsichtsbehörden), verantwortlich
für die Überwachung der Rückbaupflicht. Der konkrete Ablauf und Zuständigkeiten
sind in jeweiligen Vorschriften und Geschäftsverteilungen hinreichend geregelt.
Somit ist es unsinnig und entbehrlich "zu prüfen, welche Regelungen zum Recycling
der zum Bau der Windenergieanlagen verwendeten Materialien in den entsprechen-
den Rechtsvorschriften aufgenommen werden können.“
In Deutschland gibt es bereits verschiedene Regelungen zum Recycling von
Materialien, die beim Bau von Windenergieanlagen verwendet werden. Diese
Regelungen sind schon in vorgenannten Bundesgesetzen und Verordnungen
verankert, insb. im Bereich des Abfallrechts und der Kreislaufwirtschaft.
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